Soeben lese ich erneut meinen Newsletter von Börse-Intern. Dabei stoße ich auf diesen Artikel: Das muss ich hier sofort veröffentlichen, damit auch die, die es noch nicht gelesen haben, auch lesen können. Auf folgenden Link für die Charts und den übernommenen Text verweise ich. Einfach toller Artikel. Unbedingt lesen!
Der folgende Artikel über die 5 Phasen des Crashs wurde bereits am 9. März bei Focus Online veröffentlicht. Da ihn sicherlich nicht alle Börse-Intern-Leser entdeckt haben, geben wir ihn nachfolgend noch einmal wider:
Menschen handeln und reagieren sehr ähnlich, so individuell sie auch erscheinen
mögen. Der Handel an der Börse ist hier keine Ausnahme. Aus diesem Grund ist es
nicht verwunderlich, dass wir auch in extremen Situationen an den Börsen immer
wieder bestimmte Grundmuster erkennen.
Im Fall des Corona-Virus ist es wichtig zu wissen, wie die Märkte weiter reagieren werden. Man kann hier fünf Phasen der Panik unterscheiden. Das Erkennen dieser Phasen wird Ihnen helfen, die jeweiligen Reaktionen und Verhaltensweisen richtig zu verstehen und einzuordnen. Daraus ergibt sich sofort, was jeweils zu tun ist.
Ausgangslage: Ein schweres, externes Ereignis trifft auf die Börsen. Aktuell ist es eine durch einen Corona-Virus verursachte Pandemie.
Phase 1 – die Schockstarre und die Verleugnung
In der Nachbetrachtung von solchen externen Ereignissen werden sich sicherlich viele von Ihnen schon einmal gefragt haben, warum Sie nicht schneller reagiert haben. Und genau das hat mit der Phase 1 zu tun. Dabei hängen die Intensität und die Dauer dieser Phase natürlich direkt mit der Art des Ereignisses zusammen.
Wenn, wie zum Beispiel am 11. September 2001, die USA von Terroranschlägen getroffen werden, reagieren die Börsen natürlich sehr schnell. Aber auch hier werden die meisten Anleger eine gewisse Zeit gebraucht haben, die Ereignisse wirklich zu verarbeiten und einzuordnen. Dieses Zögern, welches bei einigen kürzer und bei anderen länger dauert, ist eine Reaktion auf den Schock, den solche plötzlichen Ereignisse hervorrufen. Dies wird als „Schockstarre“ bezeichnet.
Börsenkurse stiegen weiter
Bei Ereignissen, die weniger plötzlich auftreten, wie dem Corona-Virus, verhält es sich etwas anders. Hier konnte man die typische „Verleugnung“ miterleben. Tatsächlich sind die Kurse, nachdem die ersten Nachrichten einer möglichen Pandemie über die Newsticker gelaufen waren, zunächst sogar noch angestiegen. Erst später setzte der Einbruch ein. Diese Entwicklung war „der Verleugnung“ zuzuordnen. Dahinter verbergen sich Sätze wie: Das wird schon alles nicht so schlimm werden. Die Wirtschaft ist stark, die schafft das. Der Virus erreicht Europa/die USA nicht und ähnliches mehr.
Wir Menschen müssen uns an neue Gegebenheiten anpassen. Und dabei sind wir oft langsamer, als wir uns selbst eingestehen wollen. Dieser Anpassungsmechanismus kann unter bestimmten Voraussetzungen dazu führen, dass man eine mögliche Veränderung zunächst nicht wahrhaben will. Das gilt vor allem dann, wenn zuvor alles gut gelaufen war. Also werden mögliche Folgen erst einmal geleugnet. Dieses Leugnen kann manchmal auch völlig unvernünftig erscheinen.
Phase 1 umfasst also alle Faktoren, die eine sofortige Reaktion verhindern. Und hier sind die zunächst weiter steigenden Kurse nach dem Ausbruch des Corona-Virus ein Lehrbuchbeispiel. Tatsächlich ist es sinnvoll, bei solchen Ereignissen möglichst früh zu reagieren. Denn in der Phase 2 reagieren die Börsen panisch.
Chart 1: Der Crash 1929
Wer hier möglichst schnell verkauft hat oder seine Positionen abgesichert hat, der hat einen erheblichen Vorteil beim Wiedereinstieg. Als Anleger müssen Sie also lernen, Phase 1 möglichst schnell zu enttarnen, um dann die Vernunft einzuschalten. Ist diese Situation dazu geeignet, die (Welt-)Wirtschaft mittelfristig stark negativ zu beeinflussen, gilt es zu verkaufen beziehungsweise abzusichern.
Phase 2 – die eigentliche Panikreaktion
Sobald die Schockstarre weicht oder die Verleugnungsphase endet, geraten die Anleger in Panik. Diese 2. Phase haben wir in der vergangenen Woche gesehen. Und es ist noch nicht sicher, dass sie bereits vorbei ist. Immer drängender wird das Gefühl, dass hier etwas geschehen ist, das die Börse eventuell länger belasten kann. Anstatt nun besonnen zu reagieren, fallen die meisten Anleger in Panik, eben weil sie nicht wissen, was sie tun sollen.
Das Typische der Panik ist jedoch die Abwesenheit von Vernunft. Statt also jetzt vernünftig zu agieren und zum Beispiel mit fallenden Kursen immer konsequenter auszusteigen oder Absicherungen zu kaufen, wird alles auf den Markt geschmissen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Kurse fallen senkrecht in die Tiefe. Und mit weiter fallenden Kursen geraten auch immer mehr Anleger unter Druck und in Panik. Der Crash nährt den Crash. Wie wenig vernünftig in diesen Tagen gehandelt wird, erkennt man daran, dass wirklich alles verkauft wird – bis hin zu Aktien, die unter Umständen gar nicht von dem Ereignis betroffen sind.
Panikphasen dauern einen Tag bis Wochen. Die Dauer wiederum hängt davon ab, wie schnell das Ereignis Phase 1 überwunden hat und wie nachhaltig das Ereignis auf die Börsen wirken wird.
Chart 2: Die Ölkrise 1973-1974
In Phase 2 steigen einige wenige Aktien, die möglicherweise von dem externen Ereignis profitieren können. Bei militärischen Auseinandersetzungen sind es häufig die Aktien von Rüstungsunternehmen, bei Pandemien selbstverständlich eher Aktien aus dem Biotechbereich und von Herstellen diverser Medikamente, Schutzausrüstungen, Desinfektionsmittel und ähnliches. – Aber Vorsicht, bei größeren Panikreaktionen der Märkte werden manchmal sogar Aktien solcher Unternehmen verkauft.
Als Krisenwährung gilt Gold. Und so legen viele Anleger einen Teil des Geldes, das nun an der Seitenlinie steht, in Gold an. Doch wie wir unlängst gesehen haben, kann in einer größeren Panik auch der Goldpreis einbrechen – zum Beispiel, wenn größere Fonds ihre Absicherung in Gold auflösen, um damit Liquidität freizubekommen, um mit Absicherung- bzw. Gegenpositionen Verluste bei den Aktien einzugrenzen.
Phase 3 – Erschöpfung und das verfrühte Aufatmen
Panik ist ein Gemütszustand, der sehr viel Energie verbraucht. Viele Anleger lesen in dieser Zeit alles an Nachrichten, was sie kriegen können, um ihre Entscheidungen vermeintlich besser zu begründen. Sie sind dabei sehr aufgeregt und unsicher. Dieser Stress führt zu einer tiefergreifenden mentalen Erschöpfung. Meist merkt man davon nicht so viel. Aber interessanterweise hat diese Erschöpfung noch einen gravierenden Effekt: Neue Nachrichten führen irgendwann nicht mehr zu größerer Panik. Vor allem dann, wenn man das Depot nun teilweise verkauft oder abgesichert hat. Wenn aber die Nachrichten nicht mehr neues Adrenalin in die Adern pumpen, bewertet unser Gehirn diese neuen Nachrichten deutlich weniger dramatisch. Die Folge ist eine grobe Fehleinschätzung: „Alles halb so schlimm!“
In dieser Phase 3 steigen viele Anleger wieder in die Märkte ein, weil sie denken, das Gröbste hinter sich zu haben. Sie verkennen aber dabei den zugrundeliegenden, eigentlich eher mentalen Prozess. Und so führt diese Phase 3 zu einer meist dynamischen Gegenbewegung in den Kursen, die dann noch die Annahme stützt, dass alles nicht so schlimm ist – sonst würden die Kurse ja schließlich nicht so stark steigen – der Kreis schließt sich. Gleichzeitig sind viele Anleger auch gerne bereit, sich hier täuschen zu lassen – allein, um der Fortsetzung der Panik zu entgehen.
Die Zäsur in diesem Modell
Zäsur: An dieser Stelle muss der erfahrene Anleger sehr aufpassen. Mit den neuen Informationen muss er sich erneut die alles entscheidende Frage stellen: Ist dieses Ereignis tatsächlich in der Lage, die Weltwirtschaft mittelfristig stark zu beeinträchtigen oder wird der Einfluss nur von kurzer Dauer sein? Ist tatsächlich erstes der Fall, kommt es zu Phase 4 und 5. Ist der Einfluss aber nur von kurzer Dauer, bricht der Prozess an dieser Stelle ab und die Kurse steigen wieder auf die Niveaus, die vor dem Einbruch erreicht waren. Und ein neues Hoch ist meist auch der Hinweis, dass die Panik-Phasen zu Ende gegangen sind.
Beim Corona-Virus lässt sich die oben formulierte Frage allerdings nicht so eindeutig beantworten. Definitiv bringt diese Pandemie einen erheblichen konjunkturellen Einbruch mit sich, allein schon, weil viele Menschen weniger aus dem Haus gehen, von Veranstaltungen fernbleiben, etc. Messen und Veranstaltungen werden daher oder aus eigenen Sicherheitsüberlegungen abgesagt. Unternehmen stellen wichtige Projekte nach hinten etc. Auch die Konsumneigung der Bürger sinkt in kritischen Phasen erheblich. Es gibt also eine Vielzahl von Belastungsfaktoren.
Phase 4 – die realistische Einschätzung und die langfristigen Folgen
Wenn Phase 4 startet, ist meist genügend Zeit vergangen, um das Ereignis und seine Folgen richtig einzuschätzen. Diese Phase beginnt bereits in der Gegenbewegung der Kurse während Phase 3. Dadurch, dass die Panik erst einmal vorbei ist, kommen viele Anleger zu einer realistischeren Einschätzung der Situation. Wenn das Ereignis die Wirtschaft mittelfristig stärker beeinträchtigen kann oder sogar noch weitere Risiken verursacht, werden immer mehr Anleger und vor allem die großen Fonds nach und nach ihr Positionen an die neuen Gegebenheiten anpassen.
Phase 4 ist also geprägt von wieder fallenden Kursen, die allerdings nicht mehr so dynamisch einbrechen, wie in der eigentlichen Panikphase (2). Diese 4. Phase dauert wenige Wochen bis Monate. In manchen Fällen sogar Jahre. Das hängt natürlich von der weiteren Entwicklung des individuellen Falles ab:
Chart 3: Die Finanzkrise 2008-2009
Können die Unternehmen Verluste ausgleichen? Wie stark sind sie beispielsweise betroffen? Je mehr Unternehmen starke Umsatzeinbußen haben, je mehr werden sich die Kurse dieser Unternehmen an die neue Situation angleichen. Sprich, die Kurse fallen weiter. In dieser Phase können sich Aktien, die davon nicht betroffen sind, meist gut halten oder sogar steigen. Auch die mittelfristigen Profiteure einer solchen Entwicklung, werden eher steigende Kurse verzeichnen.
Beim Corona-Virus könnte der Spuk schnell vorbei sein, dann, wenn sich die Bevölkerung an diesen Virus gewöhnt hat, wie es inzwischen schon ein wenig in China der Fall ist. Dann treten gewisse Aufholeffekte auf. Nach schlechten Quartalsergebnissen werden auf einmal deutlich bessere erwartet. Das führt somit zu steigenden Kursen. Es sei denn, dass Unternehmen oder Banken in Schieflage geraten, die Krise also neue Krisen hervorruft. Das bleibt abzuwarten. Doch bevor ein Ende der Krise zu steigenden Kursen führt, kommt es meist noch zu der letzten Phase:
Phase 5 – Kapitulation und Resignation
Die Phase 5 beschreibt das Ende der Panik – die Anleger kapitulieren oder/und resignieren.
Die Kapitulation: Meist kommt es nach längeren Kursverlusten zu einem Sell-Off, einem finalen Ausverkauf. Die Anleger, die nicht schon am Anfang verkauft haben und die ganze Zeit hofften, dass die Kurse wieder steigen, werden oft am Ende eines solchen Crash ihre Bestände auf den Markt schmeißen, um nicht noch mehr Verluste ertragen zu müssen. Dieser Sell-Off entsteht in einer Zeit, in der die Nachrichten voll sind von Horrorszenarien für die Wirtschaft.
Die Resignation: Bei ganz langsamen und langen Verläufen der Phase 4 wird es eher zu einer breiten Resignation unter den Anlegern kommen. Eine solche haben wir zum Beispiel im Jahr 2003 nach dem dreijährigen Crash erlebt.
In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um Mischformen.
Diese letzte Phase 5 zu erkennen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Anlegers. Denn in dieser Phase sollte man die Aktien, die man hoffentlich noch zu deutlich höheren Kursen verkauft hat, zurückkaufen.
Aktien erst am Ende des Crashs kaufen
Eigentlich sind die 5 Phasen des Crashs sehr gut zu erkennen. Wenn Sie nach einem längeren Crash morgens aufwachen und absolut davon überzeugt sind, dass nun das System oder die Wirtschaft oder die Börsen endgültig crashen, können sie nahezu blind kaufen. Natürlich nur, wenn Sie das nicht zuvor schon ständig denken und die Kurse am ENDE einer längeren Abwärtsbewegung plötzlich wieder senkrecht nach unten fallen.
Fazit: Die verschiedenen Phasen der Panik zu erkennen, kann ihnen helfen, genauer einzuschätzen, wie Sie sich verhalten sollten. Schlussendlich verlaufen aber natürlich alle Krisen auf ihre ganz eigene und spezielle Art und Weise. Und so sind die Phasen nur eine gute Richtschnur, nicht mehr aber auch nicht weniger. Und doch lassen sich in fast allen Crashs genau diese Muster erkennen (siehe Charts).